Deutsche Sprache, schwere Sprache

Ich schreibe viel und relativ gerne. Früher ziemlich fehlerfrei, heute - weiß nicht. Seit der Rechtschreibreform, die 1996 begonnen und in den Jahren 2004, 2006 und 2011 ergänzt und verfeinert wurde, habe ich die Sicherheit verloren, die ich früher zweifelsohne hatte. Nicht selten kommt es vor, dass ich Wörter und Formulierungen im Online-Duden nachschlage, bevor ich einen Haken hinter den Text mache. Aber sowieso unterliegt man dem Phänomen, dass man die Fehler von anderen eher sieht als die eigenen. Man kann einen Text sprichwörtlich hundertmal nachlesen, ohne dass einem sein geschriebenes Missgeschick auffällt.

Und dann stellt sich natürlich die Frage, wie man mit eigenen und anderer Leute Fehlern umgeht! Ich persönlich mag es, wenn man mich auf Schriftfehler aufmerksam macht. Vor allem, wenn es um Gedichte geht; da bin ich ausgesprochen dankbar! Ich kann eigene Fehler akzeptieren und auch darüber lachen. Auch kann ich über Fehler von anderen lachen, ohne die Menschen dahinter aber auszulachen. Denn ich kann nicht erwarten, dass jeder sich in Perfektion artikuliert. Aber ich finde es wichtig, dass ein jeder Mensch mehr oder weniger gut oder schlecht die Sprache benutzen kann, um das auszudrücken, was ihm auf dem Herzen liegt. Das hat für mich mit Respekt und Meinungsfreiheit zu tun!

Ißt es den nun wirklisch wichtich, ob jemand das mit einem oder zwei s oder gar mit ß schreibt? Ich glaube nicht. Wichtich isst, das dass, was man vermieteln möschte, rüberkomt!

Wir dürfen nie vergessen, wer am anderen Ende der Tastatur sitzt. Jemand, der in der Schule vielleicht die absolute Nummer 1 in Geo-Geschichte oder Kunst war, aber in Deutsch eben eine Niete? Ein Legastheniker, der sich mit einer angeborenen Schreibschwäche herumquält? Eine Person mit Sehproblemen, die ihren Text nur per Diktierfunktion ins Tablet spricht und deshalb die Fehler garnicht wahrnimmt? Ein Ausländer, der sich seiner dritten, vierten oder fünften Sprache mit Ach und Krach, aber nicht ohne Stolz bedient?

Auch ich spreche ein paar Sprachen. Mein großer Trumpf ist, dass ich ohne Scheu mich in Fremdsprachen äußere und nicht selten schon den größten Mist zu Papier gebracht habe. Aber ich habe dafür nie Spott und Hohn geerntet, sondern Lob und Anerkennung von denjenigen, in deren Sprache ich mich versucht habe. Und ich habe allergrößten Respekt vor den Türken, Polen und Niederländern, die sich an unsere anerkannt schwere Sprache heranwagen, ohne irgendeine Angst vor Fehlern zu haben. Und ich bin überzeugt, dass wir früh oder spät die Reinheit der Sprache aufgeben müssen, wenn wir aufgrund der Vermischung der Kulturen wirkliche Integration zulassen wollen. Und ich bin froh darüber, wenn ein Türke mir in fehlerhaftem Deutsch eine Nachricht zukommen lässt, weil mein Türkisch lässt noch Einiges zu wünschen übrig. Die Sprache soll kein Hindernis, sondern ein Mittel zur Integration und Verständigung sein.