Ein Dorf entsteht im Schatten der Burg

Wenn man heute mit gewissem Stolz auf die Überreste der Burg und auf den Bütgenbacher Hof blickt, so geschieht dies infolge der geschichtlichen Bedeutung zu Recht. Unsere Vorfahren, die allerdings damals gelebt haben, werden die beiden historischen Gebäude aber eher verflucht haben.

Im "Hoff" war in früheren Zeiten der Sitz des Schultheißen, der für die Aufstellung und Eintreibung der zu leistenden Abgaben verantwortlich war. Wir können das heute in etwa mit der Steuerbehörde vergleichen, deren Besuch wir auch nicht allzugeme empfangen.

Die Abgaberegister, die allerdings zur damaligen Zeit erstellt wurden, ermöglichen uns heute einen hochinteressanten Rückblick in eine Zeit, als Berg erstmalig besiedelt wurde.

Gleich vorweg sei bemerkt, daß unser Dorf unter den Bezeichnungen "Uffemberg" bzw. "Uffenberg" (auf dem Berg) oder im Französischen "Berg-sur-Warche" geführt wurde, was auf die Höhenlage schließen läßt.

Eine erste Quelle führt uns zurück in das Jahr 1531. Erstmalig taucht der Name "Uffemberg" mit drei Häusern im sogenannten Feuerstättenverzeichnis auf. Nur drei Jahre zuvor war von unserem kleinen Dorf noch nirgendwo die Rede. Konkret bedeutet dies, daß die ersten Ansiedlungen in Berg zwischen 1529 und 1530 erfolgten.

Berg wird erstmals im Feuerstättenverzeichnis von 1531 erfasst.

In den darauffolgenden Jahren findet man innerhalb des "Hofes von Bütgenbach" immer wieder Eintragungen von unserem Dorf.

Original-Schriftzug aus dem Jahre 1541.

Die ersten namentlichen Eintragungen finden wir dann im Jahre 1552. Manche Namen wurden hin und wieder mit unterschiedlicher Schreibweise bedacht. Hier der genaue Wortlaut :

Uffenberg: Hegen thonuß / Sumer Claß / Kertge (Keutge) / Jehan lonnon / Biere brauwer / Mertens vaeß

Aultres redigez a demiz feu: Jaspar / Ballen Johan / Bymer Johan / mieckesstes claß (mieckessies) / Heickmans (Heuckmans) Steffen / Johan altman

Redigez a ung quart: Damen Claß / Theß Jastges eyden

Exemptz: Mertens gesan censier de gimd / Bolich appelle Halffmann Meyer / le censier de Rolertz grispen moyte / Jehene veve mendie

Somme: 9 1/2

Lassen Sie sich diese Namen zunächst noch einmal durch den Kopf gehen, bevor Sie mit der Lektüre fortfahren : Das waren die ersten Berger und somit unsere Vorfahren !

Dies bedarf allerdings einiger Erklärungen : Die Bewohner wurden in vorgenanntem Verzeichnis in vier Gruppen aufgeteilt. In der ersten Gruppe waren die besser begüterten Leute, die den einheitlich festgelegten Abgabesatz zu entrichten hatten. Anschließend
folgten diejenigen, die nur zur Hälfte oder zum Viertel "besteuert" wurden und schließlich die Personen, die von jeglicher Steuer befreit waren.

In der ersten Gruppe befindet sich ein Herr, der "Biere brauwer" genannt wurde. Dies ist schlicht und einfach die Berufsangabe dieses Mannes. Einer der ersten Berger war also Bierbrauer ! Unter der zweiten Rubrik findet man einen Herrn Bymer; ich gehe davon aus, daß dieser Name am Ursprung des Familienzweiges der "Bö(h)mer" steht, der in früheren Jahren auch bei uns sehr geläufig war.

Die vierte Rubrik läßt absolut interessante Schlüsse zu. Die erst- und drittgenannten Herren dürften deshalb steuerfrei gewesen sein, weil sie in der Burg eine bedeutende Rolle zu spielen hatten. Sicherlich wohnten sie auch dort und damit ist es amtlich :

Die Bütgenbacher Burg gehörte zu Berg !

Es tut mir leid für all jene, die bislang etwas anderes geglaubt haben, aber die Fakten sprechen für sich.

Der Herr "Bolich, den sie Halffmann nannten", war derjenige, der vom Hof aus für die Erstellung des Registers verantwortlich war. Halffmann war sein Beruf; er ging zu den Bewohnern und rechnete die "Hälfte" mit ihnen ab. Diesen Betrag mußten sie dann als
Abgabe leisten. Ob es sich bei dieser "Hälfte" um wirklich 50 % der Einnahmen handelte, entzieht sich meines Wissens, ist aber durchaus möglich. Jedenfalls stammt der Hausname "Zalfen" vom ehemaligen Haus Brüls und jetzigem Landhaus Küpper von diesem Berufszweig ab.

Einer der Vorfahren von Michel Brüls, den sie hier im Dorf "Zalfen Michel" nannten, dürfte also Halffmann gewesen sein.

Die letztgenannte Frau "Jehene veve mendie" war "Johann's Witwe", die bettelte. Sie brauchte aufgrund ihrer Armut keine Abgaben zu leisten.

Weitere Eintragungen in den Feuerstättenverzeichnissen, die uns erhalten blieben und im Staatsarchiv von Luxemburg aufbewahrt werden, sind jene aus den Jahren 1624 und 1656.

Wenn übrigens von "bestandener" Kuh die Rede ist, so handelt es sich hierbei um eine Leihkuh. Die reichen Herren, meist aus der Stadt Malmedy, stellten den armen Leuten Vieh in den Stall, blieben allerdings Eigentümer. Die Leihbedingungen waren von Fall zu Fall verschieden.

Hier nun im Einzelnen die Eintragungen von Bergern in vorerwähnten Registern. Die mitunter fehlerhafte oder dubiose Schreibweise wurde originalgetreu und ungekürzt wiedergegeben :

Feuerstättenverzeichnis des Jahres 1624

Ley Johans Heinrich, hat ein Häuslein, ist zweimal mehr schuldig als er hat, gibt gleichwohl 5 Stuber;

Feyen Johann, ein Ackermann, hat eigen Haus und Bering, zweierlei Kinder, ein Pferd, zwo Kühe, 6 Schafe, so er bestanden, und bemistet etwa l Morgen Lands, ist 100 Taler schuldig, gibt 2 Gulden, 5 Stüber;

Drieß der Halffman, sitzet in einem fremden Hof, gibt jedoch zu Steuer der Schätzung l Gulden;

Feyen Stefan, ein Ackermann, dessen Haus und Scheuer vor zweien Jahren zu Boden verbrannt, hat ein kleines Häuschen wiederum auferbauet, damit er sich ganz verdorben, hat ein Pferd, zwo oder drei Kühe, 2 Wagen Heuwes und mistet etwa ein Viertel Lands, schuldig 80 Taler, gibt l Gulden;

Weber Klaus, ein Taglöhner, sind zwei arme unvermögende Leute, so neben einem Häuschen, l Pferd, zwo Kühen und etwa einem Wagen Heuwes nichts mehr zum Besten, ist schuldig 100 Taler, gibt 15 Stüber;

Halfmans Thilnüßen hinterlassene Wittib Susanna, ist ganz verdorben, hat neben einem Häuschen ein Pferd und eine Kuh nichts mehr, schuldig 350 Taler, gibt also 15 Stüber;

Christoffel Behemer, ein Karcher mit einem Pferd, hat ein eigen Häuschen und Scheuer, l Pferd, eine bestandene Kuh, 4 oder 5 Schafe, 2 Wagen Heuwes, l Gulden 2 Stüber;

Koentges Jacob, ein Zimmermann, hat ein Häuschen und Scheuer, ein Pferd, 5 oder 6 Schafe, 2 Wagen Heuwes, gibt l Gulden 5 Stüber;

Reinharts Peter, ein Schumacher, ernähret sich damit, wird darauf gelegt und muss geben in der Landsteuer 13 Stüber;

Bemers Greth, Theißen Johann, Weinandtß Peter, Breuwers Sün
- Diese vier Hausgesind leben anders nicht als der Almosen, werden also in keiner ordri noch extri Beschwernis belegt.


Feuerstättenverzeichnis des Jahres 1656

Sind beneben obg. Amt s verwalte r, Schultheiß und Schöffen erschienen Halfmans Clauß und Feyhen Jacob, Einwohner zu Berg, welche nach geleistetem Eid erklärt wie folgt :

Weynetz. Johann ist ein Tagelöhner, hat eine bestandene Kuh, item zwei Fuder Heu, item vier Morgen Ackerlands, gewinnt beneben dem Taglohn mit Hacken und Roden ein Mater Frucht, ist 238 Taler schuldig;

Kündges Jacob hat einen Tochtermann bei sich, hat ein Pferd, item vier Kühe und neun Stück Schafe, gewinnt sechs Malter Frucht und drei Fuder Heu wie auch sieben Morgen Ackerland, ist 60 Taler schuldig;

Leyhe Hanß Michel ist ein Ackermann, hat ein Pferd und anderthalb Kuh, item acht Morgen Ackerlands, gewinnt vier Malter Frucht und hat drei Fuder Heu, item 202 Reichstaler schuldig;

Gieleß Müller ist ein Taglöhner, hat eine Kuh, gewinnt jährlichs mit Hacken und Roden anderthalb Malter Frucht, hat ein Fuder Heu und zween Morgen Ackerland, ist von erkauften Gutem 160 Taler schuldig;

Halfmans Clauß ist ein Fuhrmann, hat ein Pferd, item drei Stück Rindvieh, so sein eigen, gewinnt jährlich fünf Malter Frucht und vier Fuder Heu wie auch sieben Morgen Ackerlands, ist 96 Taler schuldig;

Bemer Jakob ist ein Taglöhner, hat ein Füllen und zwei Stück bestandenes Rindvieh, hat anderthalb Fuder Heu, item sechs Morgen Ackerland, gewinnt beneben dem Taglohn mit Roden zwei Malter Frucht, ist 182 Taler schuldig;

Feyhen Jacob ist ein Ackermann, hat ein Pferd, item drei Stück Rindvieh, davon ihm nur eines zusteht, gewinnt zwei Malter Frucht und ein halbes, hat drei Fuder Heu, ist 60 Reichstaler schuldig;

Schumachers Trein hat ihren Sohn bei sich, hat eine bestandene Kuh, item ein Wagen Heu, gewinnt mit Hacken und Roden zwei Malter, ist 40 Reichstaler schuldig;

Item befindet sich daselbst ein Hof und Güter, so dem Herrn von Roltzhaußen zustehen, welche jetzund durch desso Diener geackert werden, vor diesem habe sich ein Halfmann daselbst aufgehalten, welcher Beschwernisse abgetragen.

Dero Vieh wird durch die Kinder gehütet, erklären, daß seithero dem Jahre 1636 sechs Häuser bei ihnen verfallen, davon der Herr von Roltzhaußen zum Teil die Güter angegriffen und genießet.

Manch einer mag bei der Lektüre dieser Listen die Bezeichnung des ein oder anderen Hauses in unserem Dorf wiedererkannt haben, deren genaue Interpretation findet man im nachfolgenden Kapitel "Hausnamen".

Unser Hauptaugenmerk gilt an dieser Stelle den Grundaussagen der Feuerstättenverzeichnisse. Eindeutig erkennt man, wie es um unsere Vorfahren bestellt war. Zur Umschreibung ihrer Situation gibt es zwei Worte, die man nicht gerne ausspricht, aber sie treffen den Nagel auf den Kopf :

Unsere Vorfahren waren Leibeigene der Burg und zum Frondienst verpflichtet.

Dies drückte sich allerdings nicht nur durch die zu leistenden Abgaben aus, sondern spiegelte sich auch in einer Reihe anderer Verpflichtungen wider. Aus Überlieferungen vom 20. Juli 1565 geht hervor, mit welchen Aufgaben unsere Dorfbewohner konfrontiert waren.

So mußten sie nicht nur Material zum Bau oder zu Ausbesserungsarbeiten an der Burg stellen, sondern auch gleich selbst mit Hand anlegen. An den vier bedeutenden Festtagen (Ostern, Pfingsten, Allerheiligen und Weihnachten) mußte jedes Haus ein "Fuder" (eine Wagenladung) Brennholz abgeben. Auch die zur Burg gehörenden Ländereien mußten von den Leibeigenen bewirtschaftet werden. Für Berg entnehmen wir konkret folgende Wortlaute :

"Item die von Berg mehen den Weyer, Vorzeiten aber so der Weyer in der Wehr gewesen, voll Wassers gestanden, haben die vom Berg denen von Weyberss (Weywertz) die Drischer mehen, auch den Acker und Ahm (Ernte) helffen thun."

"Item die von Berg fegen unter den Räderen biss dass die Mühlen und Wasser seinen Gang haben."


Als Gegenleistung wurden die Arbeiter "bei genüglicher Mahlzeit gehalten". Dies entsprach morgens einem Käsebrötchen, mittags Speck mit Erbsen sowie Suppe mit Brot und abends ein unbelegtes Brötchen - ein schwacher Trost für den harten Frondienst.

So kam es schließlich wie es kommen mußte : Zum Ende des 16. Jahrhunderts weigerten die Leibeigenen dem Herrn ihre Dienste.

Sie sahen in den Wirren, die aufgrund des Niederländischen Aufstands gegen den spanischen König Philipp II. und die darauffolgende Beschlagnahmung der Grafschaft Vianden und somit auch der Herrschaft Sankt Vith und des Hofes Bütgenbach, eine Möglichkeit, sich für immer der mühsamen Frondienste zu entledigen. Fortan widersetzten sie sich gegen alle Befehle, die von den Burgherren ausgesprochen wurden.

Christoph von Rolshausen veranlaßte dieser Aufstand, am 19. September 1599 einen Beschwerdebrief an Eustach von Münchhausen, dem Amtmann des Grafen von Vianden in Sankt Vith, zu richten. Zwischenzeitlich hatte er Fuhrleute aus Kalterherberg anheuern müssen, um das Baumaterial für notwendig gewordene Reparaturen an der Burg zu beschaffen.

Erst drei Jahre später wurde diese strittige Angelegenheit aus der Welt geschafft, und das Ergebnis war niederschmetternd für die Bewohner des Hofgebietes. Ab sofort mußten sie wieder ihre Frondienste leisten und zudem auch noch die Kalterherberger Fuhrleute bezahlen.

Zum Abschluß dieses Kapitels sollten wir noch einmal einen kurzen Blick auf die Feuerstättenverzeichnisse werfen, um hieraus Schlüsse auf die Anzahl Häuser in Berg im Laufe der Zeit zu ziehen.

Im Jahre 1531 zählte Berg folglich ganze drei Häuser, wahrscheinlich kleine, bescheidene Lehmbehausungen mit Strohdach. 1624 waren es deren acht und 1656 immerhin neun. Die Ansiedlungen nahmen nur langsam zu. Der Grund hierfür lag sicherlich auch bei den Bedingungen, die man hier aufgrund der Burgherrschaft vorfand.

Es ist gut möglich, daß unsere Vorfahren nicht gerade traurig waren, als die Burg endgültig zerstört und sie vom Frondienst befreit wurden.