Brauchtum
Viele Bräuche verweisen auch heute noch auf alte Traditionen und ermöglichen den Dorfbewohnern, einen Grund dafür zu haben, so manches Gläschen in fröhlicher Runde zu trinken. Gerade dieser gesellschaftliche Aspekt hat uns so manche Bräuche erhalten. Dennoch gehören auch einige Sachen der jüngeren oder älteren Vergangenheit an. Durch die nachfolgenden Zeilen sollen, Erzählungen zufolge, alte Bräuche nochmals in Erinnerung gerufen und zudem eine kleine Übersicht über das uns heute noch erhaltene Brauchtum gegeben werden.
Als Auswärtiger in Berg freien
Wenn ein Junge aus einem anderen Dorf um ein Mädchen aus Berg warb, mußte er dabei gewisse Spielregeln beachten. Bis vor noch nicht allzulanger Zeit war es so, daß er von einem Berger ins Haus seiner Umworbenen eingeführt werden mußte. Betrat er trotzdem ohne Begleitung die Wohnung seiner Angebotenen, dann stand ihm Prügel seitens der Jugendlichen des Dorfes bevor. Paul Heck, in der Umgangssprache "Biemisch Pauels" genannt, hat als waschechter Junggeselle noch bis im Alter von 60 Jahren viele Auswärtige bei Berger Mädchen eingeführt. Auf diese Weise verschaffte er sich so manches "Dröppchen", womit ein Glas Schnaps gemeint war.
Katzenmusik
Im Prinzip gibt es die sogenannte Katzenmusik auch heute noch. Sie droht demjenigen, der es versäumt, die Jugend vor der Hochzeit zu einem Freibier einzuladen. Allerdings ist heutzutage die Angst vor dem Gepolter mit Kesseldeckeln und anderen blechernen Gegenständen größer als der Schmerz über die Kosten des Freibiers. Nachweislich wurde die Katzenmusik in Bütgenbach zum letzten Mal im Jahre 1970 gemacht.
Tobiasnächte
Die Bürger unseres Dorfes waren früher allesamt Leibeigene der Burg. Dies hatte zur Folge, daß die Burg nicht nur auf wirtschaftlicher, sondern auch auf gesellschaftlicher Ebene Ansprüche geltend machen konnte. So freute sich im Mittelalter kaum ein Brautpaar so richtig auf die bevorstehende Hochzeitsnacht, weil der jungen Braut die sogenannten Tobiasnächte bevorstanden. In Zeiten der Burg mußte die Frau ihre ersten drei Nächte mit dem Burgherrn verbringen. Wurde nach neun Monaten aus dieser vorehelichen Beziehung ein Sohn geboren, so durfte die Mutter diesen nicht behalten; lediglich die erstgeborenen Mädchen mußten nicht abgegeben werden. Auch bis ins 20. Jahrhundert hinein kannte man den Brauch der Tobiasnächte noch in den umliegenden Ortschaften. Allerdings gab es zu dieser Zeit keine Burgherren mehr, sondern die Jungvermählten mußten ihre ersten Nächte nach der Hochzeit lediglich noch im elterlichen Haus verbringen.
Et Nößgeld
Das Kirmesfest hat im Laufe der Zeit vielerorts eine Reihe von Bräuchen ins Leben gerufen. Auch in Berg stellt man wenige Tage vor dem Fest einen Kirmesbaum auf und tanzt am Kirmessonntag vor der Kapelle den Lancier. Ein eigens für diesen Tag gebildetes Orchester macht hierzu die Musik.
Kaum jemand erinnert sich allerdings heute noch an einen Brauch, der vor vielen Jahren hierzulande gepflegt wurde und sich hinter der Bezeichnung "Nößgeld" versteckte.
Hierzu müssen wir das Rad der Zeit bis vor dem l. Weltkrieg zurückdrehen. Damals fand die Kirmes noch am ersten Sonntag nach Sankt Martin statt. Ansonsten ähnelte das Fest dem heutiger Tage. Nur am zweiten Kirmestag fand eine Besonderheit statt : Zwei der ältesten Junggesellen gingen während der Tanzveranstaltung durch den Saal, der eine mit brennender Kerze und der andere mit einem Teller. Sie schickten sich an, das "Nößgeld" zu sammeln.
Alle im Saal befindlichen Mädchen mußten eine Mark spenden; nur bei Geschwistern gab es mit 50 Pfennig Mengenrabatt. Vom gesammelten Geld wurden Haselnüsse und Printen gekauft.
Diese wurden dann bei einer zünftigen Nachkirmes, vierzehn Tage nach dem eigentlichen Kirmesfest in froher Runde verzehrt. Hierzu stellte der Wirt den Jugendlichen, denen dieses Spektakel vorbehalten war, den Saal unentgeltlich zur Verfügung. Ein Akkordeonist sorgte dabei immer für die richtige Stimmung. Wenn alle Nüsse und Printen aufgegessen waren, ging man, bevor der neue Tag anbrach, frohgemut wieder nach Hause.
Letztmalig wurde das "Nößgeld" nachweislich im Jahre 1909 im alten Saal Brüls gesammelt. Seitdem ist dieser schöne Brauch vollkommen in Vergessenheit geraten.
Sonstige Bräuche im Privatleben
Es ist nicht möglich, an dieser Stelle auf alle Bräuche spezifisch einzugehen. Dies würde den Rahmen der vorliegenden Veröffentlichung bei weitem sprengen. Hier daher noch eine kleine Auflistung von bekannten Bräuchen, die auch in Berg vorzufinden sind oder waren :
- Neugeborenes Kind anmelden
- Mutter nach der Geburt des Kindes aussegnen bis 1965
- Teilnahme der Mutter an der Taufe seit 1963
- Maiennacht singen
- Türkranz zur Hochzeit oder zum Jubiläumsfest
- Sägemehl oder "Kaav" streuen und Puppe aufhängen
- Totenkaffee
Bräuche im öffentlichen Leben
Viele Veranstaltungen resultieren auch heute noch aus früherem Brauchtum, wobei die Herkunft von Dorf zu Dorf gleich und allgemein bekannt ist. Hier deshalb eine tabellarische Übersicht, ohne vereinzelt auf die jeweiligen Bräuche einzugehen :
- Weckemann als Geschenk zu Neujahr
- Möhnenumzug am Donnerstag vor Karneval seit 1983
- Burgfeuer zur "Hexenverbrennung" seit 1971
- Sternsingen seit 1988
- Kirmesbaum aufsetzen
- Sankt Martinszug seit 1970
- Lancier-Tanz zur Kirmes seit 1983
Bild 1: Hochzeitsfoto von anno dazumal. Hier heiraten Paul Reuter (Feld Pauels) und Katharina Hilgers. Das Foto entstand vor dem elterlichen Haus der jungen Ehefrau.